Das ist nicht gerecht!

Frau Huber ist ein durch und durch liebenswürdiger Mensch. Sie lebt vernünftig, achtet auf sich und andere, ernährt sich gesund. Mit Mitte dreißig stirbt sie an Krebs. – „Das ist ungerecht!“, sagen Sie?

Herr Maier ist ein Kotzbrocken, den niemand mag. Er mag auch niemanden. Er raucht und säuft und frisst Junkfood in sich rein. Er stirbt mit 102 Jahren an Altersschwäche. – „Das ist ja noch ungerechter!“, sagen Sie?

Recht haben Sie. Das Leben ist ungerecht. Was hauptsächlich daran liegt, dass „das Leben“, also das Universum und alles was sich darin befindet, ein Ablauf von Vorgängen ist, die nach festgelegten Regeln so ablaufen, wie sie ablaufen. Das ist weder gut noch böse, weder schön noch hässlich, weder gerecht noch ungerecht. Es passiert einfach.

„Die Natur“ ist nicht gerecht. Sie ist auch nicht ungerecht. Sie naturiert vor sich hin ohne Absichten und ohne Ziel.

„Gerechtigkeit“ ist nicht natürlich. Sie ist etwas, was die Menschen erfunden haben, um ihr Zusammenleben zu regeln. Eine ungerechte Gesellschaft zerbricht irgendwann an dieser Ungerechtigkeit. Das dauert manchmal, aber es geschieht unweigerlich. Eine Gesellschaft (egal ob im Großen wie ein Staat oder im Kleinen wie z.B. eine Familie) überlebt in dieser Verfassung nur, wenn sich zumindest die meisten der Beteiligten zumindest um Gerechtigkeit bemühen.

Von Ihren Mitmenschen können Sie Gerechtigkeit erwarten. Vom Rest des Universums nicht.

„Und was ist mit Gott?“, fragen Sie – sofern Sie an einen Gott glauben. Nun, Gott ist auch nicht gerecht. Er ist auch nicht ungerecht. Gott hat keine Eigenschaften. Gott ist. Punkt. Alles was Menschen über Gott sagen, sagt nichts über Gott aus. Es sagt nur etwas darüber aus, wie Menschen Gott wahrnehmen. Es sind alles nur menschliche Beschreibungen von etwas, das man nicht beschreiben kann. Es sind unausdrückbare Erfahrungen, die auf menschliche Worte, Gedanken, Hoffnungen und Ängste treffen.

Deshalb erwarten Menschen von ihrem jeweiligen Gott auch Gerechtigkeit. Weil sie das von ihren Mitmenschen erwarten. Also muss Gott auch so sein.

Ist er aber nicht. Gott ist. Punkt.

Der alte weise Mann glaubt an Gott. Seine Erfahrung mit diesem Gott ist: Er ist nicht gerecht. Er ist gnädig. Wobei „gnädig“ auch nur eine menschliche Beschreibung von etwas Unbeschreiblichem ist. Der alte weise Mann wird in einem späteren Artikel daran scheitern, etwas über dieses Unsagbare zu sagen.

Lüge!

Wie oft haben Sie heute schon gelogen?

Nie, kein einziges Mal, sagen Sie? – Dann ist das mindestens schon die zweite Lüge an diesem Tag. Wahrscheinlich ist es eher die zweihundertste.

Wir lügen ständig. Wir lügen bewusst andere an. Wir lügen unbewusst uns selbst an. Wir reden uns die Realität schön. Wir reden uns die Realität hässlich. Wir lügen aus Höflichkeit, aus Feigheit, aus Angst, aus Scham. Wir haben eine verzerrte Wahrnehmung von uns selbst. Wir lügen durch Schweigen und durch Augen verschließen. Wir lügen durch absichtliches Vergessen und falsches Erinnern. Wir leben kleine, harmlose Lügen und große, lebensbedrohende Lügen.

Wir lügen ständig.

Hier ist eine kleine Liste der populärsten Lügen:

* Daran habe ich noch nie gedacht.

* Ich kann jederzeit damit aufhören.

* Ich will doch nur dein Bestes.

* Freiheit!

* Das ist kein Mensch, das ist nur ein Embryo.

* Ich liebe dich!

* Das kann ich gut.

* Das kann ich gar nicht, darum brauche ich das erst gar nicht anzufangen.

* Sehr geehrte Damen und Herren!

* Das ist gesund.

* Wie diese Statistik zeigt …

* Das war doch alles ganz harmlos.

* Da bin ich schon lang drüber hinweg.

* Ich glaube an Gott.

* Ich glaube nicht an Gott.

* Natürlich nehme ich dich ernst!

* Ich habe recht.

* Ich denke rein rational.

Wir können ohne Lügen nicht leben. Denn ohne Lügen müssten wir die Realität annehmen wie sie ist.

Die Realität: Das sind zunächst mal Sie selbst. Sie, so wie Sie tatsächlich sind. Ein Wesen mit einem sprunghaften, alles andere als rationalem Denken; mit Gedanken, Gefühlen, Absichten, Vorlieben und Abneigungen, die Sie alle nicht unter Kontrolle haben; mit einem Körper, dessen Grundausstattung Sie sich nicht ausgesucht haben und den Sie nur wenig beeinflussen können; mit einer frühen Prägung durch Ihre Eltern und Ihr Umfeld, von der Sie sich nur mit großen Mühen lösen können; mit Fähigkeiten, auf die Sie nicht stolz zu sein brauchen, weil Sie nichts dafür können; mit Unfähigkeiten, für die Sie sich nicht zu schämen brauchen, weil Sie nichts dafür können.

Die Realität, das sind alle anderen Menschen. Menschen, die genau so sind wie Sie und die gleichzeitig ganz anders sind wie Sie. Menschen, denen man in jedem Fall Unrecht tut, wenn man sie in Schubladen steckt. Menschen, denen Großes gelingt und die krachend scheitern. Menschen, die einfach so sind wie sie sind.

Und die Realität, das ist zuerst und zuletzt der ganze Rest. Also das Universum. Das sind Naturgesetze, auf die Sie keinen Einfluss haben. Das ist ein bewusst-loser Ablauf von Ereignissen, die einfach geschehen, egal was Sie darüber denken und ob das Ihnen passt oder nicht. Die Realität ist ein Universum, dem Sie scheißegal sind. Schon allein deswegen, weil das Universum keine Gefühle hat.

Kurz gesagt: Die Realität ist gefühllos, vorhersehbar, völlig unabhängig von Ihnen und an Ihnen nicht im geringsten interessiert. Das frustriert jeden Menschen, weshalb sich jeder Mensch in seine eigene Welt flüchtet, in der er sich mit kleinen und großen Lügen Bedeutung und Sinn gibt. Anders kann man nicht überleben.

Der alte weise Mann hätte Ihnen jetzt gern was Aufbauendes gesagt. Aber das wäre gelogen gewesen.

Das Kreuz mit der Natur

Nachhaltig müssen wir Menschen leben, oder wir werden nicht überleben – heißt es allenthalben. Wir müssen von der Natur lernen, die ganz auf Nachhaltigkeit eingerichtet ist – das ist das Credo der Vernünftigen. Gute Gedanken. Sie haben nur einen Haken: In der Natur geht es nicht nachhaltig zu.

Mit „Nachhaltigkeit“ ist ja gemeint: So leben, dass alle auf Dauer mit dem Vorhandenen auskommen. Nicht mehr verbrauchen als zur Verfügung steht. Die Folgen des Handelns im Gesamten bedenken. Sich beschränken.

Wie jeder Gartenbesitzer weiß: So funktioniert Natur nicht. Das was wir als „Natur“ bezeichnen ist das Gegenteil von Nachhaltigkeit. Jedes Lebewesen, egal ob Tier oder Pflanze oder Pilz oder Bakterium, ist auf Wachstum angelegt. Und zwar auf größtmögliches Wachstum. Jede Pflanze wuchert möglichst schnell und möglichst stark bis sie irgendwo an eine Begrenzung stößt. Das kann fehlender Nährstoffnachschub sein. Das kann eine räumliche Grenze sein. Das können andere Pflanzen sein, die schon den vorhandenen Platz belegen.

Bei Tieren und anderen Lebewesen läuft das nicht anders. Alles wächst und breitet sich aus bis es an Grenzen stößt. Dann gibt es vier Möglichkeiten:

A) Verdrängen der Konkurrenz

B) Ausweichen auf einen anderen Lebensraum

C) Sich mit dem begnügen was da ist

D) Aussterben

Der Mensch ist auch Natur. Deshalb war es auch sein natürliches Verhalten von Anfang an zu wachsen, sich auszubreiten. Wenn er an Grenzen stieß, wandte er wie alle Lebewesen zunächst Methode A an: Verdrängen der Konkurrenz. Das geschah z.B. mittels Jagen, Krieg oder Unkrautzupfen. Reichte das nicht aus, kam Methode B zur Anwendung. Die Menschengruppe wanderte woanders hin, wo es mehr Ressourcen gab. Im äußersten Notfall griff man zur Methode C und begnügte sich mit einem geringeren Lebensstandard. Aber nur solange bis Methode A oder B wieder möglich wurden.

Das ging alles jahrtausendelang gut, so wie es immer in der Natur gut geht. Doch nun ist die Menschheit an einem Punkt angelangt, an dem sich noch nie in der Geschichte der Erde ein Lebewesen befand: Methode A und Methode B funktionieren nicht mehr, weil A) so ziemlich jede Konkurrenz ausgeschaltet ist, und B) es keinen Lebensraum mehr gibt, auf den die Menschheit ausweichen könnte. Wir sind die erste Lebensform auf der Erde, die ihre absoluten Grenzen erreicht hat. Nun bleibt nur noch Methode D: Aussterben. Das begeistert jedoch nur wenige Menschen. Weshalb sich die vernünftigeren unter uns der letzten verbliebenen Methode zuwenden: Sich mit dem begnügen was da ist. Und zwar dauerhaft da ist. Dummerweise ist das eben ein zutiefst unnatürliches Verhalten, egal ob bei Mensch oder Pflanze oder Bakterium. Der Mensch als Teil der Natur kann dieses vernünftige Verhalten der Beschränkung immer nur kurzzeitig aufrechterhalten, und das auch nur in Ausnahmesituationen und nur mit größter geistiger Anstrengung.

Deswegen haut das mit der Nachhaltigkeit bisher auch nicht so wirklich hin. Leider gibt es keine andere Alternative (außer auszusterben). Das heißt: Wir bringen ein nachhaltiges Weiterbestehen der Menschheit nur zustande, wenn wir unsere Evolution selbst in die Hand nehmen und uns zu Wesen entwickeln, die nicht mehr auf Wachstum angelegt sind. Die mit dem auskommen können was vorhanden ist, und zwar dauerhaft und ganz selbstverständlich.

Fangen wir gleich heute an mit dieser Evolution!

Alles Leid der Welt

Eine grundlegende Frage eines jeden denkenden Menschen ist die Frage nach dem Leid. Warum werden Menschen krank und sterben jung, warum gibt es Naturkatastrophen und Unglücke, warum tun Menschen einander weh? Welchen Sinn hat es, dass Menschen leiden?
Wenn man hier weiterkommen will, muss man erst mal fragen, was „Leid“ überhaupt ist.
Was empfinden Sie als Leid? Was empfinden Menschen allgemein als Leid? – Darauf gibt es sehr viele, sehr unterschiedliche Antworten. Der eine leidet unter einer schweren Erkrankung, während ein anderer sie klaglos hinnimmt. Für einen Menschen bedeutet der Verlust des Arbeitsplatzes eine Katastrophe, ein anderer sieht darin eine Chance auf einen Neubeginn. Manche Menschen können einen materiellen Verlust nicht überwinden, für andere bedeutet das nichts. Viele leiden unter ihrem Alter und der damit verbundenen Gebrechlichkeit. Andere freuen sich an jedem Tag, den sie noch leben können.
Daneben gibt es aber auch Dinge, die wohl allgemein von jedem Menschen als Leid gesehen werden. Krieg und Gewalt zum Beispiel. Oder Missbrauch in jeder Form. Unfreiheit in jeder Form. Der Tod eines geliebten Menschen.
Allen gemein ist, dass eine Leiderfahrung immer mit einem Verlust verbunden ist. Man leidet weil man etwas verliert: Die Gesundheit, den Arbeitsplatz, Besitz, einen Menschen, ein friedliches Leben, Geborgenheit, seine Heimat, die Freiheit, Vertrauen in sich oder in andere, sein eigenes Leben.

Schaut man sich die Ursachen dieser Leiderfahrungen an, so kann man zweierlei erkennen:
Leid entsteht, weil Menschen einander dieses Leid zufügen; und es entsteht, weil die Welt so ist wie sie ist.
Schauen wir uns zunächst einmal das Letztere an. Wie ist denn die Welt?

Die Welt ist in Bewegung. Von den gigantisch riesigen Galaxien bis zu den unvorstellbar kleinen Bestandteilen des Atoms: Alles bewegt sich, pausenlos. Es gibt keinen Stillstand, nirgendwo und niemals im gesamten Universum. Das Universum selbst dehnt sich aus, die Galaxien darin drehen sich, die Planeten drehen sich um die Sonnen und um sich selbst, die Erdkruste, die Erdoberfläche und das Erdinnere sind in ständiger Bewegung, das Klima ändert sich unaufhörlich (auch ohne menschliche Beteiligung), jedes Lebewesen entsteht, wächst und stirbt, jede Zelle in Ihrem Körper altert und wird durch neue Zellen ersetzt, Ihr ganzer Körper ist voller Bewegung – das Blut fließt, Strom strömt, Hormone wandern, Enzyme flitzen umher, Luft kommt rein und raus -, jede Körperzelle ist ununterbrochen aktiv, jedes Atom jeder Zelle besteht aus bewegten Teilchen.

Bewegung heißt aber Veränderung. Und Veränderung heißt Gewinnen und Verlieren. Neues entsteht, Altes vergeht. Der Lauf der Welt ist seit ihrem Anbeginn ein ständiges ununterbrochenes Neuwerden, Wachsen, Vergehen, Sterben, Umwandeln, Neuwerden. Immer und überall, auf allen Ebenen.
Auch auf der Ebene meines ganz persönlichen Lebens. Ich bin irgendwann einmal neu geworden, und zwar dadurch, dass meine Eltern Körperzellen verloren haben. Ein kleiner Teil dieser Zellen hat sich vereinigt und umgewandelt in etwas Neues: Mich. Ich bin gewachsen, aber dieses Wachsen war immer auch mit Verlusten verbunden. Neue Körperzellen haben alte ersetzt. Neue Erfahrungen haben alte Einstellungen verdrängt. In der Pubertät habe ich das Kindsein verloren und das Erwachsensein gewonnen. Mit wachsender Reife habe ich immer mehr Unschuld eingebüßt.
Seit einigen Jahren überwiegt der Verlust den Neugewinn. Dieses Verhältnis wird mit zunehmendem Alter immer weiter auseinanderklaffen. Bis ich schließlich alles in dieser Welt verlieren werde.

Verlust ist also etwas ganz Natürliches. Die Welt funktioniert nicht ohne Verlust. Kein Mensch kann leben ohne zu verlieren. Und zwar ständig.
Verlust ist etwas Natürliches, das zum Leben dazugehört. So natürlich wie Atmen. Warum leiden dann Menschen unter Verlusten, während sie sich nie darüber beklagen, dass sie atmen müssen? (Außer starke Raucher.)
Hier kommt eine menschliche Grundeigenschaft zum Tragen: Der durchschnittliche Mensch sieht nicht das was er hat, er sieht nur das, was er nicht (mehr) hat. Das was man hat, ist selbstverständlich. Was man nicht hat, darauf wird das Denken und Handeln gerichtet. Und etwas zu verlieren was man schon hatte, ist die schlimmste Erfahrung.

Für Lieschen Müller ist es selbstverständlich, dass sie lebt. Genauso selbstverständlich ist es für sie, dass ihr Mann lebt, ihre Kinder, ihre Freundinnen. Sie verschwendet keinen Gedanken daran, dass es anders sein könnte. Dass sie bei der Zeugung überhaupt nicht hätte entstehen können; dass ihre Kinder nicht hätten entstehen können. Dass ihr Mann drei Tage nach seiner Zeugung hätte sterben können und sie ihn nie kennengelernt hätte – und ihn dann nicht einmal vermissen würde.
Lieschen Müller denkt auch nicht daran, dass sie für dieses scheinbar selbstverständliche Leben selbst überhaupt nichts beigetragen hat. Sie lebt einfach, ohne jeden eigenen Verdienst.
Und irgendwann ist diese Selbstverständlichkeit zu Ende. Völlig überraschend tritt ein Ereignis ein, von dem Lieschen Müller wusste, dass es kommt, seit sie zu denken in der Lage war.
Und Lieschen Müller leidet.

Leid entsteht, weil die Welt so ist, wie sie ist, hat der alte weise Mann oben gesagt. Was nicht ganz richtig ist. Genauer gesagt gilt: Leid entsteht, weil die Menschen nicht akzeptieren können, dass die Welt so ist wie sie ist.
Weil die Menschen nicht verlieren können. Sie können nicht verlieren, weil sie das was sie haben als selbstverständlich sehen und den Verlust als unnormal empfinden. Weil sie in diesem Punkt in einer nicht existierenden Welt leben und leiden, wenn sie auf die reale Welt treffen.

Alles in dieser Welt ist nur vorübergehend. Nichts bleibt. Ich kann daran leiden oder ich kann es annehmen und mein Leben daran ausrichten.

Dieses Leiden an der Realität wird noch durch eine weitere Eigenheit des Menschen verstärkt: Die meisten Menschen neigen dazu, alles was bisher war, als Entwicklung zu sehen, die zum jetzigen Zustand geführt hat – und mit diesem Zustand jetzt hört die Entwicklung auf. So wie es jetzt ist, bleibt es endgültig. Bisher war alles Veränderung, okay, aber ab sofort hört sich das auf. Ab jetzt gibt es keine Veränderung mehr, keinen Verlust. Und wenn es dann nicht so bleibt, erzeugt das Leid.
Beispiele gefällig?
* Max Mustermann denkt: So wie unser Land jetzt ist, ist das Folge jahrhundertelanger Entwicklung. Es ging mal hoch und zwischenzeitlich auch ganz tief runter. Aber mit dem jetzigen Zustand ist ein Endpunkt erreicht. Dieses Land wird und darf sich nicht mehr verändern.
Wenn dann doch eine Veränderung kommt in Form von hunderttausenden neu ankommenden Menschen, dann ist das eine Katastrophe. Nicht weil es negative Auswirkungen haben könnte, sondern allein, weil es Veränderungen bringt.
* Max Mustermann denkt: Meine körperliche Leistungsfähigkeit hat sich immer weiter entwickelt. Jetzt, in der Blüte meines Lebens, habe ich den endgültigen, stabilen Zustand erreicht.
Wenn dann der Körper sich dennoch weiter entwickelt, z.B. nach unten durch eine Krankheit, dann leidet Max.
* Max Mustermann hat sich verliebt. Er denkt: Es ist schön, wie unsere Liebe sich entwickelt hat. So wie sie jetzt ist, wird sie immer bleiben. – Das tut die Liebe aber nicht. Nie. Max kann aber die Veränderung nicht annehmen, sondern sieht sie als Verlust und leidet.

Es ist natürlich äußerst unangenehm wenn ich schwer krank werde. Es ist kein Grund zur Freude, wenn ein geliebter Mensch stirbt. Es ist zum Trauern, wenn tausende bei einem Erdbeben sterben. Aber all das sind Ereignisse, die in der Natur der Welt liegen. Ereignisse, die ganz natürlich sind. Von denen jeder Mensch weiß, dass sie passieren können. Ereignisse, auf die man sich deshalb vorbereiten kann, auf die man sich auch geistig einstellen kann. Ereignisse, die dann nicht weniger unerfreulich sind, aber an denen man dann nicht mehr leidet und zerbricht.
Und alles auf dieser Welt ist nur vorübergehend. Alles ändert sich, nichts bleibt. Dies auszublenden führt immer zu Leid-Erfahrungen.
Diese Art von Leid – Leid an der Welt, weil man ignoriert, dass die Welt so ist wie sie ist – entsteht also durch das Denken des Leidenden. Es ist selbstgemacht.
Wie sieht es nun mit der anderen Art von Leid aus, dem Leid, das sich Menschen zufügen? – Dazu später mehr.

Alles anders, immer

Das Leben in der Realität ist das einzig sinnvolle Leben, hat der alte weise Mann im Vorwort geschrieben. Diese Realität ist ein Universum, das nach eindeutigen Regeln von Ursache und Wirkung funktioniert. Daraus folgt eine weitere Eigenart der Realität: Es geschieht immer etwas. Nichts kann sich der Einwirkung durch den Rest des Universums entziehen. Pausenlos wirken Gigantillionen von Vorgängen auf andere Vorgänge ein. Mit anderen Worten: Es gibt im Universum keinen Stillstand. Alles ist Bewegung und Veränderung. Von den riesigen Galaxien bis zu den kleinsten Bestandteilen eines Atoms. Auch Sie selbst verändern sich unaufhörlich. Ihr Körper bildet neue Zellen, alte Zellen sterben ab, Blut fließt, Nervenimpulse strömen, ihr Gehirn arbeitet ununterbrochen. Dasselbe gilt für Sie als Persönlichkeit. Sie verändern sich jeden Tag. Sie machen neue Erfahrungen, Sie vergessen, Sie erinnern sich. Meistens sind das nur unmerkliche Veränderungen, manchmal machen Sie einen großen Sprung.

Die Realität ist also Veränderung. Nie gibt’s Ruhe. Das überfordert viele Menschen. Deshalb flüchten sie aus dieser anstrengenden Realität in ein persönliches Universum, in dem alles festgefügt ist. „Das war schon immer so, das haben wir noch nie gemacht, und da könnte ja jeder kommen.“ Vor allem wenn es jemandem gut geht, ist jede Veränderung angsteinflößend. „Okay“, heißt es dann, „bis jetzt war alles in Entwicklung. Aber nun habe ich ein Endstadium erreicht, das sich nie mehr ändern darf.“ Doch schnell kommt die Realität ums Eck und sagt: „Ne, das jetzt ist auch nur ein Durchgangsstadium.“ Und prompt ist der Mensch beleidigt und macht der Realität / dem Schicksal / Gott bittere Vorwürfe. „Jetzt war ich 56 Jahre lang gesund. Warum ändert sich das jetzt?“ „Wir leben seit Jahrzehnten in Frieden und Sicherheit. Das darf nie mehr anders werden, koste es was es wolle!“ „Wir zwei sind so verliebt ineinander. So bleibt es die nächsten hundert Jahre. Und wenn nicht: Dann ist unsere Beziehung am Ende.“

Das alles ist einer der verbreitetsten Gründe weshalb Menschen leiden. Weil sie in einem Parallel-Universum leben, in dem sich nie etwas ändert.  Und weil der Mensch an sich eine Eigenart hat, die ihm das Leiden erst so richtig ermöglicht: Er sieht nur das was er verliert. Das was er hat ist selbstverständlich. – Dass ich lebe: Äh, klar, warum nicht? Dass ich dieses Leben wieder verliere: Nö, auf keinen Fall! Dass ich dieses Leben ohne körperliche Einschränkungen leben kann: Also bitte, da brauchen doch gar nicht darüber reden! Dass ich diese Gesundheit verliere: Böse Welt! Böser Gott! Dass es unserer Gesellschaft so gut geht wie noch nie: Was weiß ich von „wie noch nie“! Ich kenn es nicht anders. Dass Menschen unseren Wohlstand und Frieden bedrohen, möglicherweise: Skandal! Lasst sie alle absaufen!

Sinnvolles Leben ist Leben in der Realität. In der tatsächlich existierenden Realität. Diese Art zu leben ist auch viel weniger anstrengend. Man bekommt nicht jeden Tag zehnmal eins von der Realität auf die Rübe. Man muss sich viel weniger aufregen und kann sein Leben gelassener angehen, wenn man in dem Bewusstsein lebt, dass eh alles nur vorübergehend ist. Dann genießt man das was man hat auch viel intensiver. Weil man weiß: Man hat nicht ewig Zeit dafür. Und das Verlieren fällt leichter, wenn man weiß: Ich verliere ohnehin. Jeden Tag ein bisschen und am Ende alles. Egal ob ich dagegen ankämpfe, davor davonlaufe oder es akzeptiere. Nur: Akzeptieren kostet am wenigsten Kraft, beim selben Ergebnis. Also …

Ursache, Wirkung, Regeln

Dieser Blog ist eine Suche nach der Wahrheit, hat der alte weise Mann hier gewarnt. Es geht hier nicht nach dem Lebensmotto von Pippi Normalverbraucher „Ich mach mir die Welt, widde widde, wie sie mir gefällt“. – Ja, also dann, wie ist denn die Welt dann so? Also die real existierende Welt?

Die reale Welt funktioniert nach einem klaren Grundprinzip – dem Prinzip von Ursache und Wirkung. Alles was geschieht, wird durch etwas verursacht. Und alles was geschieht, verursacht wiederum etwas anderes. Nichts geschieht „einfach so“. Und nichts bleibt wirkungslos.

Ursache und Wirkung geschehen wiederum nach bestimmten, immer gleichen Regeln. Die regeln nicht nur, was wann geschieht, sondern auch wie es geschieht. Der Mensch nennt das „Naturgesetze“.

Das alles ist sehr praktisch. Sie können sich dank der Naturgesetze und des Ursache-Wirkungsprinzips darauf verlassen, dass Ihr Bein sich heute in die gleiche Richtung mit der gleichen Geschwindigkeit und Kraft bewegt wie gestern, wenn Sie exakt die gleiche Bewegung damit ausführen. Stellen Sie sich mal eine Welt ohne Ursache-Wirkung-Naturgesetze vor. Sie würden heute plötzlich rennen wie Usain Bolt und morgen mit jedem Schritt in die Höhe sausen, weil die Gravitation sich gerade eine Auszeit nimmt. Nein, das würde nicht passieren – weil es Sie gar nicht gäbe. Weil Ihr Körper alle paar Sekunden anders funktionieren würde. Weshalb es Ihren Körper gar nicht gäbe. Weshalb es schon gar kein funktionierendes Universum gäbe.

Oder vielleicht doch. Wir können uns eine Welt ohne Ursache-Wirkung-klare Regeln-Gedöns halt einfach nicht vorstellen. Weil nun mal alles darauf aufbaut. Das Universum an sich, das Leben im Speziellen und unser Denken im besonders Speziellen. Darum werden wir auch so nervös, wenn etwas „einfach so“ geschieht. (Wobei eben nie etwas „einfach so“ geschieht. Uns fehlt nur öfter mal der Einblick in Ursache und Wirkung.) Darum suchen wir immer und überall nach Zusammenhängen, nach Mustern, nach Sinn. Darum fragen kleine Kinder schon pausenlos „Warum?“. Darum betreiben erwachsene Kinder Wissenschaft. Darum basteln sich Menschen Welt-Anschauungen.

Weil der Mensch vor allem bequem ist, müssen alle diese Zusammenhänge, Muster, Sinn-Antworten und Welt-Anschauungen nicht unbedingt richtig sein. Hauptsache, sie geben zumindest kurzfristig eine Ursache-Wirkung-Regel-Erklärung, die nicht nach fünf Minuten in sich zusammenfällt. Die Erklärung muss beruhigen, nicht erklären.

Das Ursache-Wirkung-Naturgesetze-Prinzip ist also ungeheuer praktisch und bequem, nicht nur im Alltag. Alle Wissenschaft lebt davon, dass man anhand dieses Prinzips verlässlich in die Vergangenheit zurückschauen kann und zuverlässige Berechnungen für die Zukunft anstellen kann. (Sofern man korrekte und vollständige Daten hat.) Das Ganze hat aber auch seine beunruhigenden Seiten. Denn verlässlich in die Vergangenheit und Zukunft sehen anhand der Naturgesetze heißt auch: Es ist alles von Anbeginn an festgelegt. Es stand fünf Sekunden nach dem Urknall schon fest, wie hoch die Luftfeuchtigkeit am heutigen Tag an Ihrem Wohnort sein wird.

Womit dann sehr schnell eine extrem beunruhigende Frage auftaucht: Ja, was ist dann mit dem freien Willen des Menschen? Ist dann auch seit zig Milliarden Jahren festgelegt, dass Sie jetzt exakt in diesem Moment exakt diese Worte lesen?

Dazu später mehr – sofern das Ursache-Wirkung-Regel-Prinzip dem alten weisen Mann Gelegenheit dazu gibt. Er wünscht Ihnen auf jeden Fall schon mal eine ruhige Zeit mit vielen beruhigenden Erklärungen.

Die Gretchenfrage

In Goethes Faust stellt Gretchen dem Titelhelden einmal die Gretchenfrage. Frage für Klugscheißer: Wie lautet diese Frage? Antwort: „Sag, Heinrich, wie hältst du’s mit der Religion?“

Der moderne Heinrich verdreht bei dieser Frage die Augen. Die Henriette auch. Religion ist ja so was von out. „Die Religion“ ist ja auch schuld an allen Übeln dieser Welt. Und überhaupt! Heinrich und Henriette brauchen keine Religion. Sie sind sich selbst gut genug.

Kann man so sehen. Wenn man etwas Entscheidendes übersieht: „Ich bin nicht religiös“ ist auch schon eine religiöse Aussage. Denn jeder Mensch ist religiös. Weil jeder Mensch etwas glaubt. Jeder Mensch hat gewisse Grundannahmen, woher er (und der Rest der Menschheit) kommt, wohin er geht und was das dazwischen alles soll. Manche Menschen haben irgendeinen Gott als Grundannahme, manche Menschen glauben an das Nichts, die meisten Menschen glauben an Wurscht („Das is‘ mir doch alles wurscht!“). Aber jeder Mensch glaubt irgendwas.

„Ich glaube an nichts“ gibt’s nicht. Was es gibt: „Ich glaube an Nichts“. Kleiner Unterschied in der Grammatik, großer Unterschied im Leben. Denn ohne Glauben kann der Mensch nicht leben. Er braucht Sinn, er braucht Schubladen, in die er alles stecken kann. Im Kleinen, im Alltäglichen wie im Großen. Im Wesentlichen gibt es drei Schubladen: 1) Alles hier wurde von irgendjemandem gemacht, 2) alles hier ist von selbst entstanden, 3) das ist mir doch alles wurscht.

Egal in welcher Schublade jemand steckt: Es hat Auswirkungen auf das praktische Leben. Das ist dann die Religion. Ein Mensch, der an einen Gott glaubt, lebt anders als jemand, der sich völlig auf sich allein gestellt sieht. Das Leben von Gottgläubigen unterscheidet sich stark, je nachdem ob der geglaubte Gott ein liebender Gott ist, oder ein strafender, oder ein gleichgültiger. Und wer an Wurscht glaubt, ist den ganzen Tag damit beschäftigt, vor der Erkenntnis zu fliehen, dass es Wurscht nicht gibt und man sich dieser Frage nach dem Leben, dem Universum und allem nicht entziehen kann. Eine ganze Vergnügungsindustrie lebt von dieser Flucht vor der Gretchenfrage ins Wurscht.

„Religion“ sagen die angeblich Nichtreligiösen und meinen damit „Religion mit Gott“. Sie verkennen dabei, dass es auch Religion ohne Gott gibt. Weil der Mensch eben nicht ohne Sinn und Welterklärung auskommt. Gottfreie Religionen sind zum Beispiel Kommunismus, Nationalsozialismus, die freie Marktwirtschaft, die Wissenschaft, die Selbstoptimierung, der Fortschritt, und – vor allem: das Ich.

Der Heinrich, der an die Selbstoptimierung als Lebenssinn glaubt, geht anders mit Menschen um als Henriette, die an einen liebenden Gott glaubt. Heinrich geht anders mit sich selbst um als Henriette. Heinrich sucht sich einen anderen Beruf als Henriette. Heinrich hat anderen Sex als Henriette. Heinrich hat andere religiöse Rituale als Henriette. Er geht nicht in die Kirche, er geht zu einem Marketing-Guru, der ihm die neueste Selbstoptimierungs-Heilslehre erklärt. Und wenn er nebenher noch wissenschaftsgläubig ist, dann liest er in den Heiligen Schriften von Stephen Hawking oder eines anderen Messias.

Jeder Mensch ist religiös. Und Sie? Wie halten Sie es mit der Religion?

Was glauben Sie eigentlich?

Wer an etwas glaubt und diesen Glauben auch noch in praktisches Leben umsetzt, der ist in unserer hochtoleranten Kultur vielen Angriffen ausgesetzt. Denn feste Überzeugungen zu haben ist natürlich so was von intolerant. Klar. Schließlich ist es menschenunmöglich, selbst von etwas überzeugt zu sein und gleichzeitig andere Ansichten zu respektieren. Das wissen die hypertoleranten Menschen ja aus eigener Erfahrung.

Außerdem ist es so was von Mittelalter, etwas zu glauben. Der moderne aufgeklärte Mensch glaubt nicht, er weiß.

Okay. Schauen wir uns mal an, was wir alles wissen. Sie wissen zum Beispiel, dass die Welt aus Atomen aufgebaut ist. – Wirklich? Haben Sie schon mal ein Atom gesehen oder sonst irgendwie persönlich wahrgenommen? Oder wenigstens selbst experimentell nachgewiesen?

Nein? Sie sind kein Atomphysiker? Dann glauben Sie also an die Existenz von Atomen. Wissen tun Sie nicht davon. Sie glauben den Wissenschaftlern, dass ihre Erkenntnisse richtig sind. Sie glauben Ihren Lehrern oder den Büchern oder Internetseiten, dass diese die Erkenntnisse der Wissenschaftler korrekt wiedergeben. Und Sie glauben sich selbst, dass Sie das alles richtig verstehen.

Nehmen wir ein anderes Beispiel. Eines aus dem praktischen Leben. Sie wissen, dass Ihre Eltern Ihre Eltern sind. Oder nicht? Können Sie sich an Ihre Zeugung erinnern, oder wenigstens an Ihre Geburt? – Sie wissen also nicht aus eigener Anschauung, ob Ihre Eltern tatsächlich Ihre Eltern sind. Sie können es nur glauben. Sie könnten es mittels eines DNA-Tests überprüfen. Aber dazu müssen Sie wieder viel Glauben aufbringen. Sie müssen glauben, a) dass der Test das richtige Ergebnis liefert, b) dass ein DNA-Test überhaupt was über Abstammung aussagt, c) dass es so was wie DNA tatsächlich gibt und d) dass die im Falle ihrer Existenz etwas mit Fortpflanzung zu tun hat. Das alles können Sie nicht selbst überprüfen und daher nicht wissen. Sie können es nur glauben, zumindest solange Sie sich nicht in die Materie einarbeiten und diese selbst erfahren und begreifen.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Es geht hier nicht darum, alles anzuzweifeln oder „der Wissenschaft“ grundsätzlich zu misstrauen oder gar in irgendwelche Verschwörungstheorien zu verfallen. Es geht hier einzig um eines: Sie wissen sehr wenig und glauben sehr viel. Machen Sie einfach mal einen Praxistest! Schreiben Sie sich auf, was Sie alles wissen. Von den ganz banalen Dingen des Alltags bis zu den Basisfakten des Lebens. Und dann schauen Sie sich jeden Punkt an, ob Sie dieses „Wissen“ tatsächlich aus eigener Anschauung und Erfahrung erworben haben, oder nur durch Vermittlung durch andere. Also: Ob Sie das wirklich selbst wissen, oder ob Sie anderen glauben.

Sie werden feststellen: Die meiste Zeit Ihres Lebens sind Sie damit beschäftigt, etwas zu glauben. Auch wenn Sie zu den rational lebenden Menschen gehören, die deshalb jeden religiösen Glauben ablehnen: Sie glauben. Täglich, stündlich, minütlich. Und weil Sie wie jeder Mensch von Bequemlichkeit und Verdrängung beherrscht sind, glauben Sie am liebsten das, was Ihnen nicht weh tut. So wie jeder Christ und jeder Moslem und jeder Jude auch. Es gibt also für Sie keinen Grund zur Überheblichkeit. Das können Sie dem alten weisen Mann glauben.

Scheißegal

Alle Menschen haben ein grundlegendes Problem mit dieser Welt. Dieses Problem heißt: Wir sind dem Universum scheißegal.

Das ist schon allein deshalb so, weil das Universum keine Gefühle oder Absichten hat. Das Universum ist einfach eine ziemlich ausgedehnte Ansammlung von Atomen. Es hat keinen Willen, keinen Geist. Nun hat sich aber in diesem Universum eine bestimmte Art von Atom-Ansammlungen entwickelt, die nicht nur einfach funktioniert, sondern die weiß dass sie funktioniert, die über dieses Funktionieren nachdenken kann und deshalb in der Lage ist, Fragen zu stellen.

Und so tauchte bei dieser Ansammlung von Atomen namens Mensch schon bald die Frage auf: „Was soll denn der ganze Schmarrn?“ Diese Frage treibt jeden Menschen um. Noch mehr treibt es die Menschen um, dass sie keine verlässliche Antwort darauf bekommen. Weil eben dieses Universum nicht mal mit den Schultern zuckt, wenn man es fragt.

Es gibt und gab mehrere Möglichkeiten, wie Menschen mit dieser unbefriedigenden Situation umgehen. Nr. 1, die häufigste Reaktion: Nicht mehr weiter fragen. Augen zu und durch durch dieses Leben. Das ist die bequemste Lösung, aber auch die anstrengendste. Denn sie funktioniert nur, wenn man sich sein Leben lang ablenkt. Man muss jede Gelegenheit vermeiden, die irgendwie Anlass zum Nachdenken geben könnte. Das heißt in der Praxis: Pausenlose Action, Hektik und Betrieb. Und am effektivsten: Vorsätzlich so verblöden, dass man irgendwann gar nicht mehr nachdenken kann.

Nr. 2, eine weitere weit verbreitete Reaktion auf dieses geist- und leblose Universum: Die Menschen füllen es einfach mit Geist. In früheren Zeiten und in einfachen Kulturen wird die Natur vergöttert. In unserer geistig so furchtbar fortgeschrittenen Kultur geschieht dasselbe, nur etwas subtiler. Da heißt es dann: „Die Natur hat es so eingerichtet dass …“ oder „Die Evolution hat das Ziel dass …“ Auch der aufgeklärte moderne Mensch hält es nicht aus, dass „die Natur“ einfach so funktioniert, ohne dass das etwas mit ihm zu tun hat.

Reaktion Nr. 3: Der Mensch denkt sich etwas, das dieses Universum geschaffen hat und der/die/das das alles natürlich nur wegen dem Menschen gemacht hat. Wenn wir schon dem Universum scheißegal sind, dann kümmert sich wenigstens jemand/etwas außerhalb des Universums um uns.

Reaktion Nr. 4: Leben im vollen Bewusstsein, dass allein aus dieser Welt kein Sinn erwächst, dass sich diese Welt nicht um uns dreht, dass es nicht den geringsten Unterschied macht, ob ich existiere oder nicht. Diese Haltung vertreten viele – sagen sie zumindest. Wirklich durchhalten tut es keiner. Das übersteigt einfach menschliches Vermögen. Die meiste Zeit verbringen solche Menschen dann doch mit Reaktion Nr. 1 und/oder Nr. 2.

Gleichgültig aber wie man auf dieses Dilemma reagiert: Es ist der Hauptantrieb für das menschliche Handeln. Dazu später mehr.