Das Kreuz mit der Natur

Nachhaltig müssen wir Menschen leben, oder wir werden nicht überleben – heißt es allenthalben. Wir müssen von der Natur lernen, die ganz auf Nachhaltigkeit eingerichtet ist – das ist das Credo der Vernünftigen. Gute Gedanken. Sie haben nur einen Haken: In der Natur geht es nicht nachhaltig zu.

Mit „Nachhaltigkeit“ ist ja gemeint: So leben, dass alle auf Dauer mit dem Vorhandenen auskommen. Nicht mehr verbrauchen als zur Verfügung steht. Die Folgen des Handelns im Gesamten bedenken. Sich beschränken.

Wie jeder Gartenbesitzer weiß: So funktioniert Natur nicht. Das was wir als „Natur“ bezeichnen ist das Gegenteil von Nachhaltigkeit. Jedes Lebewesen, egal ob Tier oder Pflanze oder Pilz oder Bakterium, ist auf Wachstum angelegt. Und zwar auf größtmögliches Wachstum. Jede Pflanze wuchert möglichst schnell und möglichst stark bis sie irgendwo an eine Begrenzung stößt. Das kann fehlender Nährstoffnachschub sein. Das kann eine räumliche Grenze sein. Das können andere Pflanzen sein, die schon den vorhandenen Platz belegen.

Bei Tieren und anderen Lebewesen läuft das nicht anders. Alles wächst und breitet sich aus bis es an Grenzen stößt. Dann gibt es vier Möglichkeiten:

A) Verdrängen der Konkurrenz

B) Ausweichen auf einen anderen Lebensraum

C) Sich mit dem begnügen was da ist

D) Aussterben

Der Mensch ist auch Natur. Deshalb war es auch sein natürliches Verhalten von Anfang an zu wachsen, sich auszubreiten. Wenn er an Grenzen stieß, wandte er wie alle Lebewesen zunächst Methode A an: Verdrängen der Konkurrenz. Das geschah z.B. mittels Jagen, Krieg oder Unkrautzupfen. Reichte das nicht aus, kam Methode B zur Anwendung. Die Menschengruppe wanderte woanders hin, wo es mehr Ressourcen gab. Im äußersten Notfall griff man zur Methode C und begnügte sich mit einem geringeren Lebensstandard. Aber nur solange bis Methode A oder B wieder möglich wurden.

Das ging alles jahrtausendelang gut, so wie es immer in der Natur gut geht. Doch nun ist die Menschheit an einem Punkt angelangt, an dem sich noch nie in der Geschichte der Erde ein Lebewesen befand: Methode A und Methode B funktionieren nicht mehr, weil A) so ziemlich jede Konkurrenz ausgeschaltet ist, und B) es keinen Lebensraum mehr gibt, auf den die Menschheit ausweichen könnte. Wir sind die erste Lebensform auf der Erde, die ihre absoluten Grenzen erreicht hat. Nun bleibt nur noch Methode D: Aussterben. Das begeistert jedoch nur wenige Menschen. Weshalb sich die vernünftigeren unter uns der letzten verbliebenen Methode zuwenden: Sich mit dem begnügen was da ist. Und zwar dauerhaft da ist. Dummerweise ist das eben ein zutiefst unnatürliches Verhalten, egal ob bei Mensch oder Pflanze oder Bakterium. Der Mensch als Teil der Natur kann dieses vernünftige Verhalten der Beschränkung immer nur kurzzeitig aufrechterhalten, und das auch nur in Ausnahmesituationen und nur mit größter geistiger Anstrengung.

Deswegen haut das mit der Nachhaltigkeit bisher auch nicht so wirklich hin. Leider gibt es keine andere Alternative (außer auszusterben). Das heißt: Wir bringen ein nachhaltiges Weiterbestehen der Menschheit nur zustande, wenn wir unsere Evolution selbst in die Hand nehmen und uns zu Wesen entwickeln, die nicht mehr auf Wachstum angelegt sind. Die mit dem auskommen können was vorhanden ist, und zwar dauerhaft und ganz selbstverständlich.

Fangen wir gleich heute an mit dieser Evolution!

Scheißegal

Alle Menschen haben ein grundlegendes Problem mit dieser Welt. Dieses Problem heißt: Wir sind dem Universum scheißegal.

Das ist schon allein deshalb so, weil das Universum keine Gefühle oder Absichten hat. Das Universum ist einfach eine ziemlich ausgedehnte Ansammlung von Atomen. Es hat keinen Willen, keinen Geist. Nun hat sich aber in diesem Universum eine bestimmte Art von Atom-Ansammlungen entwickelt, die nicht nur einfach funktioniert, sondern die weiß dass sie funktioniert, die über dieses Funktionieren nachdenken kann und deshalb in der Lage ist, Fragen zu stellen.

Und so tauchte bei dieser Ansammlung von Atomen namens Mensch schon bald die Frage auf: „Was soll denn der ganze Schmarrn?“ Diese Frage treibt jeden Menschen um. Noch mehr treibt es die Menschen um, dass sie keine verlässliche Antwort darauf bekommen. Weil eben dieses Universum nicht mal mit den Schultern zuckt, wenn man es fragt.

Es gibt und gab mehrere Möglichkeiten, wie Menschen mit dieser unbefriedigenden Situation umgehen. Nr. 1, die häufigste Reaktion: Nicht mehr weiter fragen. Augen zu und durch durch dieses Leben. Das ist die bequemste Lösung, aber auch die anstrengendste. Denn sie funktioniert nur, wenn man sich sein Leben lang ablenkt. Man muss jede Gelegenheit vermeiden, die irgendwie Anlass zum Nachdenken geben könnte. Das heißt in der Praxis: Pausenlose Action, Hektik und Betrieb. Und am effektivsten: Vorsätzlich so verblöden, dass man irgendwann gar nicht mehr nachdenken kann.

Nr. 2, eine weitere weit verbreitete Reaktion auf dieses geist- und leblose Universum: Die Menschen füllen es einfach mit Geist. In früheren Zeiten und in einfachen Kulturen wird die Natur vergöttert. In unserer geistig so furchtbar fortgeschrittenen Kultur geschieht dasselbe, nur etwas subtiler. Da heißt es dann: „Die Natur hat es so eingerichtet dass …“ oder „Die Evolution hat das Ziel dass …“ Auch der aufgeklärte moderne Mensch hält es nicht aus, dass „die Natur“ einfach so funktioniert, ohne dass das etwas mit ihm zu tun hat.

Reaktion Nr. 3: Der Mensch denkt sich etwas, das dieses Universum geschaffen hat und der/die/das das alles natürlich nur wegen dem Menschen gemacht hat. Wenn wir schon dem Universum scheißegal sind, dann kümmert sich wenigstens jemand/etwas außerhalb des Universums um uns.

Reaktion Nr. 4: Leben im vollen Bewusstsein, dass allein aus dieser Welt kein Sinn erwächst, dass sich diese Welt nicht um uns dreht, dass es nicht den geringsten Unterschied macht, ob ich existiere oder nicht. Diese Haltung vertreten viele – sagen sie zumindest. Wirklich durchhalten tut es keiner. Das übersteigt einfach menschliches Vermögen. Die meiste Zeit verbringen solche Menschen dann doch mit Reaktion Nr. 1 und/oder Nr. 2.

Gleichgültig aber wie man auf dieses Dilemma reagiert: Es ist der Hauptantrieb für das menschliche Handeln. Dazu später mehr.