Wir werden wieder zu Menschen

Zwei Begriffe haben derzeit Hochkonjunktur: Verantwortung und Freiheit. Erstaunt stellen viele Menschen fest, dass eins mit dem anderen zusammenhängt. Wo doch bis vor zwei Wochen das Credo war: Meine Freiheit ist unbegrenzt. Also MEINE Freiheit. MEINE Freiheit ist jedes Opfer wert – solange andere das Opfer bringen.

Und plötzlich macht sich die Erkenntnis breit, dass MEIN Handeln ja auch Auswirkungen auf andere hat und ICH somit Verantwortung für andere trage, ob ich will oder nicht. Und dass von daher es schon immer Konsens war, dass MEINE Freiheit da endet, wo sie in die Freiheit eines anderen Menschen eingreift.

Ich schreibe hier bewusst „war“, denn dieser Konsens ging immer mehr verloren. Die Freiheit des einzelnen ohne jede Einschränkung wurde immer stärker zum einzigen Maßstab. Was in der Praxis heißt, dass die Starken, Durchsetzungsfähigen ihre Freiheit auf Kosten der Schwachen ausleben.

Und nun übernehmen fast alle Menschen Verantwortung, indem sie sich massiv einschränken und zum Teil große Opfer bringen, um die Schwachen zu schützen. „Schwach“ sind in diesem Fall diejenigen, denen das Virus die schwersten Schäden zufügen kann.

Es ist einerseits schade, dass es eine Seuche braucht, um die Menschen wieder zum Menschsein zurückzubringen. Andrerseits ist es schön zu sehen, dass in den meisten Menschen doch noch soviel Menschlichkeit steckt, trotz jahrzehntelanger Propaganda menschenfeindlicher egoistischer Ideologien.

Hoffen wir, dass diese neue alte Menschlichkeit die Seuche überlebt.