Tötet sie!

Durch die gesamte Menschheitsgeschichte hindurch kann man immer wieder dasselbe Muster beobachten: Eine Gruppe von Menschen fühlt sich durch eine andere Gruppe von Menschen bedroht oder zumindest eingeschränkt. Die erste Gruppe steigert sich immer stärker in dieses Bedrohungsgefühl hinein, solange bis aus anfänglicher verbaler Gewalt schließlich physische Gewalt wird und die zweite Gruppe von Menschen großflächig getötet wird.

Dieses Muster zeigten weiße Amerikaner im Umgang mit schwarzen Sklaven; so verhielten sich europäische Kolonisten gegenüber den „Wilden“, Nazis gegenüber Juden, Stalin gegenüber allen außer sich selbst, Hutus in Ruanda gegenüber den Tutsis, Myanmarer gegenüber den Rohingyas, heutige Rassisten gegenüber Geflüchteten und Migranten, Männer zu allen Zeiten und heute noch in manchen Kulturen gegenüber Frauen. Und so weiter.

Es zeigt sich dabei immer derselbe Ablauf:

* Als allererstes benötigen die Vernichter einen ideologischen Überbau. Sie können ja schlecht sagen: „Wir sind psychisch instabile hasserfüllte Typen, die mit sich selber nicht zurecht kommen und deshalb Schuldige für das eigene Versagen brauchen.“ Das wäre ehrlich und deshalb schlecht für das Geschäft. Also erfindet man eine Ideologie, bei der man selber toll dasteht und die anderen minderwertig gemacht werden. Die Mär von der Überlegenheit der weißen Rasse zum Beispiel, oder Nationalsozialismus, oder Kommunismus, oder die biologische Überlegenheit des Mannes. Und so weiter.

* Der zweite Schritt: Man muss der zu vernichtenden Gruppe das Menschsein absprechen. Das ist unerlässlich. Blöderweise haben die meisten Menschen Hemmungen, andere Menschen zu töten. Diese Hemmungen kann man ihnen nur nehmen, indem man ihnen klarmacht, dass die, die getötet werden sollen, ja gar keine Menschen sind, zumindest keine vollwertigen.

* Schritt 3: Man muss ein Problem kreieren, das durch die zu vernichtende Gruppe verursacht wird. Weil blöderweise die meisten Menschen sogar Hemmungen haben, auch Nicht-Menschen zu töten. Da brauchen sie dann zumindest einen ernsthaften Grund dafür.

* Schritt 4: Als einzige Lösung für das neugeschaffene Problem muss die Tötung der (mittlerweile als Nicht-Menschen anerkannten) Gruppe angepriesen werden.

* Dazu braucht es als fünften Schritt massive Propaganda auf allen Kanälen.

* Und schließlich: Alle, die sich gegen diese Propaganda wehren, müssen diffamiert und (wenn möglich) beseitigt werden.

So läuft es seit Jahrtausenden, und so geschieht es auch heute. Jedes Jahr fallen Millionen Menschen diesem Muster zum Opfer, allein in Deutschland sind es 100.000 – pro Jahr.

Ich rede vom Wirken der Abtreibungslobby.

Deren selbsternannte Mitglieder befolgen brav und ordentlich des Schema aller Menschenhasser:

1. Ideologischer Überbau. Der lautet „Liberalismus“ oder „Selbstbestimmung“. Die Lobbyisten können ja nicht sagen: „Das Töten von Menschen ist mein Geschäftsmodell“, oder „Ich bin ein brutaler Egoist, der für sein eigenes Wohl auch über Leichen geht“. Also wird das Grundrecht auf Selbstbestimmung ins Grenzenlose ausgedehnt und ein bis dahin positiv besetzter Begriff wie „liberal“ dafür missbraucht.

2. Den zu Vernichtenden das Menschsein absprechen. Das heißt hier: Um jeden Preis vermeiden, von den Opfern einer Abtreibung überhaupt zu sprechen. Und wenn es sich nicht vermeiden lässt, dann darf das Opfer auf keinen Fall „Kind“ genannt werden. „Embryo“ ist gut – allerdings nicht im wissenschaftlichen Sinn als Entwicklungsstadium bei einem Menschen, sondern ganz unwissenschaftlich als Gegensatz zu einem Menschen. Noch besser ist „Abortmaterial“, wie das eine Abtreibungsärztin neulich so charmant formuliert hat.

3. Problem erschaffen. Das Problem ist in diesem Fall immer: Schwangerschaft. Schwangerschaft hat da natürlich nichts mit einem neu entstandenen Leben zu tun, sondern ist einzig und allein ein körperlicher Zustand der Frau. Als solcher ist das nur dann kein Problem, wenn die Frau diesen Zustand so wollte. Wenn nicht, dann ist das ein gesundheitliches Problem bei der Frau, das als Teil der normalen Gesundheitsversorgung beseitigt werden muss. Sagen die, die sich liberal nennen.

4. Womit Punkt 4 erreicht ist. Als einzige Lösung des Problems wird die Tötung der Nicht-Menschen verkündet. Die alleinige Alternative dazu sei es, dass die betroffenen Frauen weiter leiden. Andere Hilfen, um das Leid zu beseitigen, sind keine Hilfen, sagen die Menschenhasser, wenn sie diese Hilfen nicht gleich ganz verschweigen.

5. Propaganda: Geschieht seit Jahrzehnten auf allen Kanälen, in den letzten Jahren mit verstärkter Intensität. In den Medien etwa gibt es zumindest in Deutschland keinen einzigen objektiven Beitrag mehr zu diesem Thema.

6. Diffamierung von Andersdenkenden: Geschieht auf harmlosem Weg, indem man der Bezeichnung „Lebensschützer“ stets und überall ein „selbsternannte“ voransetzt. Geschieht auf heftigerem Weg, indem man auf die Argumente der Lebensschützer gar nicht eingeht, sondern nur den Angriff auf den eigenen ideologischen Überbau hervorhebt und Andersdenkende als Frauenfeinde darstellt. Geschieht auf übelstem Weg, indem man Andersdenkende in ihren Rechten zu beschneiden versucht und sie auf diese Weise ausgrenzen und mundtot machen will (siehe z.B. der Matic-Report im Europaparlament, der die Mitgliedstaaten auffordert, dass alle Kliniken Abtreibungen anbieten müssen und eine Nichtmitwirkung aus Gewissensgründen verboten werden soll, und dass Beratungen zum Schutz des Lebens nicht mehr vom Staat finanziert werden sollen).

Alles hat seinen Preis

Früher war alles besser.

Nö. Stimmt nicht. Früher war alles anders. Oder zumindest war ziemlich viel anders. Früher war mehr Lametta, zum Beispiel. Was früher auch anders war: Der einzelne zählte nicht viel. Entscheidend war das Gesamte. Das Volk, die Nation, die Kirche, die Familie … Das hatte positive Effekte. Einen starken Zusammenhalt, zum Beispiel. Oder Sicherheit. Das hatte auch negative Effekte. Einen enormen sozialen Druck, zum Beispiel. Oder Ausgrenzung von Menschen, die sich diesem Druck nicht fügen wollten oder konnten.

Aus diesen Auswirkungen heraus entstand eine Gegenbewegung, die den Wert des einzelnen Menschen in den Mittelpunkt stellte. Die Menschenwürde wurde immer wichtiger. Eine Zeit lang befanden sich die beiden Pole Gemeinwohl und Wohl des Einzelnen im Gleichgewicht. Doch dann lief es so wie es immer läuft: Wenn ein Ziel erreicht ist, wird trotzdem weitergemacht. Die Menschen wissen nicht wann sie aufhören müssen. Und so kippte das Gleichgewicht immer mehr in Richtung Wohl des Einzelnen. Heute haben wir in unserer Kultur eine extrem einseitige Betonung des Ich, das Wir ist fast bedeutungslos geworden.

Dieser Zustand hat viele Namen. Neoliberalismus. Ungezügelter Kapitalismus. Oder schlicht und einfach: Egoismus.

Die Auswirkungen: Nichts hat mehr einen Wert. Alles hat einen Preis. Und zwar den Preis, den ICH bereit bin zu zahlen oder den ich von anderen fordere. MEIN Wille ist die einzige Grundlage für alles. Das gilt nicht mehr nur für Dinge, für Waren. Das gilt auch für Menschen. – Was MEIN Lebenspartner mir bringt, entspricht nicht mehr dem was ICH investiere: Der Partner wird retourniert. ICH will ein Kind: Dann habe ICH auch ein Recht darauf, und die Allgemeinheit muss alles tun und jeden Preis dafür zahlen, dass ICH ein Kind bekomme. ICH will kein Kind: Dann habe ICH ein Recht darauf es zu töten. Und MEIN Kind hat die Pflicht so zu werden wie ICH es mir erträume. Und alle ErzieherInnen und LehrerInnen müssen jeden Preis dafür zahlen, dass MEIN Kind MEINEN Vorstellungen gemäß heranwächst.

Die Menschenwürde hat schon lang ausgedient. Also sie gilt selbstverständlich weiterhin für MICH. Aber die Würde aller anderen ist abhängig von ihrem Wert. Und zwar von ihrem Wert für MICH. Wer diesen Wert nicht aufbringt, der darf ruhig im Mittelmeer ertrinken. Der darf ohne schlechtes Gewissen vor der Geburt getötet werden. Der darf seine überschwemmte Heimat verlieren, damit ICH weiterhin in den Urlaub fliegen kann und mich auch sonst nicht einschränken muss. Schließlich wiegt MEIN Selbstbestimmungsrecht mehr als alles andere. Als alle anderen.

ICH. ICH. ICH. Das ist der Gott, den immer mehr anbeten. Der Gott, der nicht angezweifelt werden darf. Und wer einen anderen Gott verkündet, der wird gesteinigt. Die Felsbrocken, die auf ihn geworfen werden heißen „Fundamentalismus“, „Rechts“, „Frauenfeindlichkeit“, „Einschränkung der Freiheit“.

MEIN Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Denn MEIN ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit. Bis zum bitteren Ende. Amen.

 

Von der Würde jedes Menschen

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“, lautet die wichtigste Aussage des Grundgesetzes. Unser ganzes Rechtssystem und unsere Gesellschaft gründen darauf. Heißt es zumindest. Bis jetzt.

„Menschenwürde“ – das klingt sehr abstrakt. Was bedeutet dieser Begriff? Und welche Be­deutung hat er für unser praktisches Leben?

„Würde“. Ein altes Wort. Fast schon ein veraltetes Wort. Heute zählt eher der Wert. Was aber etwas ganz anderes ist. Wie heißt es in einer Werbung: „Das und das: Soundsoviel Euro. Alles andere: unbezahlbar.“ Genau das macht etwas würdevoll: Dass es nicht in Euro zu beziffern ist, weil es etwas ganz Besonderes, Einmaliges ist, für das es keinen Gegenwert gibt.

Eben das macht die Würde eines jeden Menschen aus: Jeder Mensch ist etwas Besonderes. Denn jeder Mensch ist einmalig. Es hat ihn noch nie zuvor gegeben und es wird ihn nie mehr danach geben. Das Leben eines jeden Menschen ist einzigartig.

Darauf beruht die Würde eines jeden Menschen. Auf seiner Einmaligkeit. Auf seiner Einzig­artigkeit. Jeder Mensch hat die volle Würde, einfach weil er da ist. Deshalb hat er keinen Wert, sondern Würde.

Die Würde des Menschen hat also nichts mit irgendeinem Wert zu tun. Sie kommt nicht von bestimmten Eigenschaften des Menschen, sie ist unabhängig von Leistung und vom Wert für andere oder „die Gesellschaft“. Jeder ein­zelne Mensch ist würdevoll, weil jeder einzelne Mensch einmalig ist. Und deshalb ist diese Würde unantastbar.

Genau dies – die Würde des Menschen anzutasten – wird aber seit allen Zeiten versucht. Und nicht nur versucht, sondern durchgeführt.

Es beginnt immer damit, dass die Menschenwürde eingegrenzt wird. Als richtiger, voll-werti­ger Mensch wird man dann nur noch angesehen, wenn man über bestimmte Eigenschaften verfügt oder zu bestimmten Leistungen in der Lage ist oder einen bestimmten Wert für andere hat. Die Würde wird durch den Wert ersetzt.

Das führt dann dazu, dass Gruppen von Menschen, die diese Kriterien nicht erfüllen, als min­der-wertig angesehen werden, eben als nicht mehr „würdevoll“. Man spricht ihnen das volle Menschsein ab oder erklärt sie gleich zu Nicht-Menschen. Mit der Folge, dass sie außerhalb der menschlichen Gemeinschaft gestellt werden und man mit ihnen alles tun darf. Auch, und vor allem: töten.

So wurde in unserem Land schon einmal die Menschenwürde von bestimmten (fiktiven) ver­erbten Eigenschaften abhängig gemacht. Die deutsche Menschheit wurde aufgeteilt in voll­wertige Menschen, genannt Arier und minderwertige Menschen, genannt Juden. Und in der Folge wurden Millionen einzigartiger Leben einmaliger Menschen vernichtet.

So wird in vielen Ländern die Menschenwürde von Leistung abhängig gemacht, nämlich von erwünschtem sozialen Verhalten. Wer dem nicht entspricht und kriminell wird, dem wird die Menschenwürde aberkannt und der darf dann hingerichtet werden. Das einzigartige Leben ei­nes einmaligen Menschen darf ausgelöscht werden.

So wird nicht nur in unserem Land eine bestimmte Bevölkerungsgruppe zu Nicht-Menschen deklariert und als „Zellgewebe“ oder „Fötus“ oder „werdendes“ Leben bezeichnet. Was den „richtigen“ Menschen das Recht gibt, diese angeblichen Nicht-Menschen zu Millionen zu tö­ten. Zwar verbotenerweise, aber straffrei.

Doch es gilt: Der Mensch ist Mensch von Anfang an. Vom Moment der Zeugung an hat jeder Mensch die volle Menschenwürde. Und die behält er bis zum Ende seines Lebens. Unabhän­gig von seinen Eigenschaften, seiner Leistungsfähigkeit, seiner Nützlichkeit. Egal ob dieser Mensch gerade erst aus zwei Zellen besteht, ob er dement ist, im Koma liegt, ein gewissenlo­ser Vergewaltiger ist oder einfach nur woanders herkommt.

Jeder Mensch ist etwas ganz Besonderes, weil es ihn noch nie gegeben hat und ihn nie mehr geben wird. Das Leben, das er lebt, wird nie mehr gelebt werden. Das gibt jedem Menschen seine Würde.

Und das gibt jedem Menschen die Pflicht, mit jedem anderen Menschen entsprechend würde­voll umzugehen. Das heißt zunächst einmal, ihn leben zu lassen. Das heißt dann aber auch, ihm mit dem Respekt und der Achtung zu begegnen, die diesem würdevollen Menschen ge­bühren. Was wiederum bedeutet: Ich achte die Würde eines Menschen, indem ich dazu beitra­ge, dass sein Leben gelingen kann. Dieses einzige Leben, das er hat.

Glaube und Überzeugungen spielen dabei keine Rolle. Weder auf der einen Seite noch auf der anderen. Ich muss nicht an einen Gott glauben, um einem anderen Menschen Respekt und Achtung entgegenzubringen. Es reicht zu wissen, dass der andere genauso einmalig ist wie ich. Die Würde des Menschen nicht anzutasten ist eine alltägliche Aufgabe für Christen, Mos­lems, Atheisten und Angehörige jeder anderen Religion.